Griffbrettradius beim E-Bass

– was er mit deinem Spielgefühl macht

Ich werde oft gefragt: „Welchen Griffbrettradius empfiehlst du?“ Gute Frage – und ein Thema, das viel weniger trocken ist, als es klingt. In diesem Artikel erkläre ich dir verständlich, was der Radius überhaupt ist, wie er dein Spiel beeinflusst, was die historischen Hintergründe sind und wann ein Compound Radius Sinn ergibt. Am Ende hast du eine klare Entscheidungsbasis für deinen nächsten (Custom-)Bass.

 

Kurz gesagt: Was ist der Griffbrettradius?

Der Griffbrettradius beschreibt, wie stark das Griffbrett quer zur Saitenrichtung gewölbt ist. Stell dir einen riesigen Kreis vor: Ein Stück davon ist dein Griffbrett.

  • Kleine Zahl = rund (z. B. 7,25")

  • Große Zahl = flach (z. B. 16")

Gemessen wird traditionell in Zoll. Zur Orientierung die gängigsten Werte – mit Millimeter-Äquivalenten:

  • 7,25" ≈ 184 mm (stark gewölbt)

  • 9,5" ≈ 241 mm

  • 10" ≈ 254 mm

  • 12" ≈ 305 mm

  • 14" ≈ 356 mm

  • 16" ≈ 406 mm (flacher)

  • 20" ≈ 508 mm (sehr flach)

 

Wichtig: Der Radius ist nicht das gleiche wie das Halsprofil („C“, „V“, „D“, dick/dünn). Beides spielt zusammen – aber es sind unterschiedliche Stellschrauben.

Warum der Radius dein Spielgefühl so stark prägt

 

  • Greifkomfort & Handform: Eine stärkere Wölbung (kleiner Radius) entspricht grob der natürlichen Krümmung deiner Hand. Viele empfinden Akkorde in tiefen Lagen so als bequemer.

  • Saitenlage & Schnelligkeit: Flachere Griffbretter (größerer Radius) erlauben oft niedrigere Saitenlage bei aggressiver Spielweise, weil die Saiten beim Schwingen weniger an benachbarte Bünde stoßen. Das kann für Slap, Tapping und schnelle Läufe Gold wert sein.

  • Sauberes Bending in hohen Lagen: Beim E-Bass weniger Thema als bei Gitarren, aber wer Chordal Playing, Slides und Bendings nutzt, profitiert bei höheren Lagen oft von einem flacheren Radius.

  • Mehrsaiter & Saitenspannung: Bei 5- oder 6-Saitern mit breiterem Griffbrett hilft ein flacherer Radius, die Saitenlage über alle Saiten konsistent zu halten.

Mein Setup-Alltag zeigt: Der „beste“ Radius ist der, der zu deiner Technik, Saitenstärke, Mensur und der gewünschten Saitenlage passt. Ein sauber abgerichtetes Bundniveau ist dabei die Grundvoraussetzung – erst dann entfaltet der Radius seinen Vorteil.

Ein bisschen Geschichte: Warum es diese Zahlen überhaupt gibt

 

 

In den 1950ern wurden viele Instrumente mit stark gewölbten Griffbrettern gebaut – bei Fender etwa 7,25". Das passte zum damaligen Spielstil: viel Begleitung, weniger extreme Bendings, robuste Konstruktionen, einfache Fertigung.
Ab den späten 1970ern/1980ern veränderte sich das: moderne Produktionsmethoden, andere Musikstile, virtuoseres Spiel, niedrigere Saitenlagen – flachere Radien wie 9,5" oder 12" etablierten sich. Heute siehst du alles: von Vintage-korrekt bis modern flach. Gibson-Instrumente (gitarrenseitig) sind historisch oft bei 12", viele moderne Bässe bewegen sich zwischen 10" und 16". Im Bass-Alltag heißt das: Es gibt keine Norm – nur Vorlieben und Einsatzzwecke.

Typische Radien und wofür sie gut sind

 

  • 7,25" – 9,5" (rund): Fühlt sich „klassisch“ an. Greift sich in tiefen Lagen super angenehm, Akkordspiel hat oft einen sehr natürlichen Flow. Bei extrem niedriger Saitenlage und harter Anschlagtechnik kann’s oben raus früher schnarren – je nach Setup.

  • 10" – 12" (Allround): Für viele Bassist:innen der Sweet Spot: bequem, vielseitig, gut einstellbar. Passt zu Fingerstyle, Plektrum, moderatem Slap, harmonischen Doppelgriffen und gelegentlichem Chordal Playing.

  • 14" – 16" (flach): Ideal, wenn du richtig niedrige Saitenlage willst, viel Slap/Tapping spielst, schnelle Läufe bevorzugst oder einen Fünf-/Sechssaiter mit gleichmäßigem Setup brauchst.

  • 20" (sehr flach): Spezialfall – für sehr moderne Setups, extended range und ultratiefes Action-Tuning.

Compound Radius – der „mitwachsende“ Radius

 

Beim Compound Radius ändert sich die Wölbung entlang des Griffbretts: runder in den tiefen Lagen, flacher Richtung hohe Lagen. Technisch ist das Griffbrett eher konisch statt rein zylindrisch.

Vorteile:

  • Natürliches Greifgefühl unten, stabile Bendings und sehr flache Action oben.

  • Gleichmäßige Ansprache über viele Lagen – besonders angenehm bei Soli, Chords in höheren Lagen, modernen Spieltechniken.

Zu beachten:

 

  • Fertigung, Abrichten und Setup sind präziser (und damit aufwendiger).

  • Sattelkerben, Bundkronen und die Brückenradius-Einstellung müssen zur veränderlichen Krümmung passen.
    Wenn du viel in hohen Lagen arbeitest, aber unten das komfortable „Vintage-Gefühl“ magst, ist Compound oft die ideale Lösung.

Praxis aus meiner Werkstatt

 

Ich baue Hälse so, dass sie sich lebendig anfühlen: präzise Bünde, sorgfältig geölt (ich öle Hälse, weil das Spielgefühl schlicht fantastisch ist), am Body Hochglanz auf Wunsch jederzeit. Beim Radius gehe ich so vor:

 

  1. Spielstil & Ziel: Fingerstyle mit Druck? Slap/Pop? Viele Doppelgriffe?

  2. Saitenlage & Saitenstärke: Wie tief willst du wirklich runter? Welche Saiten fährst du?

  3. Mensur & Saitenzahl: 34" vs. 35", 4 vs. 5/6 Saiten.

  4. Halsprofil & Breite: Ein 12"-Griffbrett fühlt sich mit einem schlanken C-Profil anders an als mit einem kräftigen D-Profil.

Aus der Erfahrung heraus sind 10"–12" für die meisten ein Volltreffer. Wer kräftig zulangt, extrem flache Action liebt oder eine B-Saite besonders sauber führen will, landet oft bei 14"–16". Für Vintage-Fans, die viel in den unteren Lagen begleiten und dieses „kuschelige“ Greifgefühl lieben: 9,5", manchmal auch 7,25".

Kleine Entscheidungshilfe (Checkliste)

  • Dein Stil: Eher Fingerstyle/Classic → runder. Viel Slap/Tapping/Schneller Metal → flacher.

  • Saitenlage-Wunsch: Je tiefer, desto eher flacher.

  • Saitenzahl: 5/6 Saiten profitieren oft von flacher.

  • Halsprofil-Vorliebe: Magst du schlanke, schnelle Hälse? Dann passt ein flacher Radius oft gut.

  • Vintage vs. Modern: Authentisches 60s/70s-Feeling? 9,5" oder 7,25". Moderner Allround? 10"–12". Modern/Tech? 14"–16".

  • Spielst du viel obenrum? Überlege Compound Radius.

 

Wenn du magst, gehe ich mit dir diese Punkte durch und empfehle dir eine Konfiguration – inklusive Halsprofil, Bunddraht, Sattel und Setup.

Messen, Einstellen, Wohlfühlen

 

Wer es genau wissen will, misst den Radius mit Radius-Lehren (unter den Saiten an der Brücke oder direkt am Griffbrett). Wichtig ist, dass Sattel, Bundabrichtung und Brücke aufeinander abgestimmt sind. Eine Brücke mit einzeln justierbaren Reitern lässt sich perfekt an den gewählten Radius anpassen. Erst wenn das Bundniveau stimmt, lohnt es sich, die Action „auf Kante“ zu bringen – sonst kämpfst du gegen Physik.

Meine Empfehlungen in drei Szenarien

 

  • Allround-Vierseiter (Rock/Pop/Funk): 10"–12", mittlere Saitenstärke, sauber abgerichtet → komfortabel unten, stabil oben, flexibel für Studio und Bühne.

  • Modern/Technisch (Slap, Tapping, sehr niedrige Action, 5-Saiter): 14"–16" oder Compound 10"–14" → klarer Ton bei harter Anschlagtechnik, gleichmäßige Ansprache.

  • Vintage-Vibe, Begleitung, warme Sounds: 9,5" (oder 7,25" für echte Traditionalisten) → weiches Greifgefühl, klassischer Touch.

Fazit

 

Der Griffbrettradius ist kein Marketing-Detail, sondern spürbare Ergonomie. Historisch kamen wir von rund (7,25") über mittel (9,5"–12") zu flach (14"+), weil Spielstile und Ansprüche gewachsen sind. Für die meisten Bassist:innen ist 10"–12" der sichere Startpunkt. Wer extrem niedrige Saitenlage, viele Techniken und/oder mehr Saiten spielt, ist mit 14"–16" oder einem Compound Radius bestens bedient.

 

Wenn du dir unsicher bist: Schreib mir, was du spielst und wie sich dein Lieblingsbass anfühlt. Ich baue dir den Hals so, dass er deiner Hand folgt – nicht umgekehrt.

Wenn du jetzt denkst: „Das Griffbrett sollte sich genau nach mir richten“ – dann ist das der perfekte Moment für einen maßgefertigten Bass. Ich baue dir ein Instrument, bei dem Radius, Halsprofil, Optik und Sound exakt zu dir passen. Schreib mir und wir entwickeln gemeinsam deinen einzigartigen Custom Bass.